Betreff
3. Satzung zur Änderung der Satzung über die Festsetzung der Steuersätze für die Grund- und Gewerbesteuer (Hebesatzsatzung) der Stadt Aurich
Vorlage
24/232/1
Aktenzeichen
I/12
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Sachverhalt:

Hintergrund der Grundsteuerreform

 

Die Grundsteuerreform, die ab 01.01.2025 in Kraft tritt, hat mehrere Gründe und soll vor allem ein gerechteres und moderneres System für die Besteuerung von Grundstücken und Immobilien schaffen. Hier sind die wichtigsten Gründe und Ziele der Reform:

 

1. Veraltete Bewertungsgrundlage

Die bisherige Berechnung der Grundsteuer basiert auf sog. „Einheitswerten“, die in Westdeutschland zuletzt 1964 und in Ostdeutschland 1935 festgelegt wurden. Diese Werte sind stark veraltet und entsprechen nicht mehr den aktuellen Marktverhältnissen, was zu Ungerechtigkeiten bei der Steuerbelastung geführt hat.

 

2. Gerechte Steuerverteilung

Aufgrund der veralteten Werte zahlen einige Eigentümer für vergleichbare Immobilien unterschiedlich hohe Steuern. Mit der Reform sollen die Steuerlasten fairer und genauer nach dem tatsächlichen Wert der Grundstücke und Immobilien verteilt werden.

 

3. Gerichtsurteil des Bundesverfassungsgerichts (BverfG)

Im Jahr 2018 entschied das BverfG, dass das bisherige System verfassungswidrig ist, da es gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoße. Das Gericht forderte eine Neuregelung bis Ende 2024.

 

4. Transparenz und Rechtssicherheit

Durch die Reform sollen die Bewertungsverfahren transparenter werden, und Eigentümer sollen nachvollziehen können, wie sich ihre Steuerlast zusammensetzt. Dies soll zu einer besseren Akzeptanz der Steuer führen.

 

 

Regelung in Niedersachsen

 

In Deutschland haben die Bundesländer die Möglichkeit, eigene Modelle für die Berechnung der Grundsteuer zu entwickeln. Niedersachsen hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und setzt auf ein sogenanntes “Flächen-Lage-Modell”.

 

Details zum Flächen-Lage-Modell in Niedersachsen:

 

1. Grundfläche und Gebäudefläche: Im Kern des niedersächsischen Modells steht die Berechnung anhand der Grundstücksfläche und der Nutzfläche des Gebäudes. Das bedeutet, dass die Größe des Grundstücks und die bebaute Fläche als Basis für die Steuerberechnung dienen.

2. Lagefaktor: Zusätzlich wird ein Lagefaktor eingeführt, der die Attraktivität und Lage des Grundstücks berücksichtigt. Dieser Lagefaktor wird anhand durchschnittlicher Bodenrichtwerte innerhalb der Gemeinde bestimmt. So soll die Lagequalität in die Steuer einfließen, ohne dass direkt der Bodenwert selbst die Steuer bestimmt.

3. Keine Wertorientierung: Anders als in anderen Bundesländern wird in Niedersachsen nicht der Verkehrswert des Grundstücks oder der Immobilie zur Berechnung herangezogen. Das bedeutet, dass Wertsteigerungen am Immobilienmarkt keine direkte Auswirkung auf die Grundsteuerhöhe haben.

 

Vorteile des Modells in Niedersachsen

 

 • Einfachheit: Das Modell ist vergleichsweise einfach zu berechnen und erfordert weniger Daten. Dadurch soll die Verwaltung der Grundsteuer weniger aufwendig sein.

 • Geringere Schwankungen: Da keine Marktbewertungen herangezogen werden, bleiben die Steuerbeträge stabiler und weniger von kurzfristigen Preisschwankungen am Immobilienmarkt beeinflusst.

 • Fairness durch Lagefaktor: Mit dem Lagefaktor wird versucht, einen Ausgleich zwischen stark gefragten und weniger attraktiven Gebieten zu schaffen, ohne komplexe Wertermittlungen durchzuführen.

 

Aufkommensneutralität der Hebesätze

 

Mit der Grundsteuerreform hat die Stadt Aurich für das Jahr 2025 neue Hebesätze festzulegen. Die alten Hebesätze verlieren ihre Gültigkeit. Aufgrund von zum Teil erheblichen Schwankungen bei den Messbeträgen, die mit den neuen Bewertungskriterien einhergehen, ist die Ermittlung eines neuen Hebesatzes ohnehin unerlässlich.

Die reformierte Grundsteuer, die ab 2025 erhoben wird, soll aufkommensneutral sein (§ 7 NGrStG). Aufkommensneutralität bedeutet, dass die Reform keine Veränderung in der Gesamteinnahme der Grundsteuer für die Kommunen zur Folge haben soll. Das heißt, obwohl sich die Berechnungsgrundlagen ändern und möglicherweise für einzelne Grundstückseigentümer die Steuerlast steigt oder sinkt, soll das Gesamtaufkommen der Grundsteuer auf dem bisherigen Niveau bleiben.

Eine gesetzliche Verpflichtung, einen aufkommensneutralen Hebesatz festzusetzen, gibt es indes nicht. Die Kommunen sind lediglich dazu verpflichtet, einen solchen Hebesatz für die Grundsteuer B zu ermitteln und zu veröffentlichen sowie die Abweichungen zwischen dem ermittelten und letztlich festgestellten Wert transparent darzustellen. Wie in jedem anderen Jahr aber auch kann die individuelle Haushaltssituation einer Kommune unabhängig von der Verfahrensumstellung durchaus eine Anhebung der Hebesätze erfordern. Dies ist auch zulässig und im niedersächsischen Landesrecht klargestellt. Aus diesem Grund schlägt die Verwaltung neben dem aufwandsneutralen Hebesatz auch alternative höhere Hebesätze vor.

Zur Grundsteuer A gibt es keine entsprechenden Ausführungen im Gesetz.

Es empfiehlt sich aber, hier analog zur Grundsteuer B zu verfahren. Allerdings wurden vereinzelt Teile der alten Grundsteuer A in die Grundsteuer B verlagert. Folglich verkleinert sich die Basis der Grundsteuer A geringfügig, die der Grundsteuer B vergrößert sich entsprechend.

 

Bei der Ermittlung der aufkommensneutralen Hebesätze wird diese Verlagerung vernachlässigt und der jeweilige Hebesatz separat bewertet.

 

 

Ermittlung der aufkommensneutralen Hebesätze

 

Die nachfolgende Berechnung erfolgt auf Basis der bisher vorliegenden neuen Steuermessbeträge und der tatsächlichen Steuerveranlagung 2024 (zum 26.11.2024). Die Datenerhebung ist nahezu vollständig abgeschlossen. Bei einigen wenigen Fällen besteht noch Klärungsbedarf hinsichtlich der Grundstücksbewertung.

Der endgültige Steuermessbetrag wird erst mit Import der Datensätze in die Finanzsoftware Infoma im Dezember vorliegen. Insofern ist bis dahin mit einer nicht zu verifizierenden Abweichung im Datenbestand auszugehen, die den endgültigen tatsächlichen Hebesatz aber nur noch geringfügig variieren lässt. Sollten sich bis zur Ratssitzung am 12.12.2024 durch die finale Datenerfassung noch signifikante Änderungen ergeben, werden die dem Beschluss zugrundeliegenden Unterlagen entsprechend aktualisiert. Festzuhalten bleibt: je höher der Messbetrag ausfällt, desto niedriger ist der Hebesatz festzulegen (und umgekehrt), um das vorgegebene Aufkommen zu erreichen.

 

In die Kalkulation mit einzubeziehen ist ferner eine gewisse Korrekturproblematik, insbesondere die Grundsteuer B betreffend. Bedingt durch die bürokratischen Hürden bei der Grundsteuererklärung durch die Grundstückseigentümer, ist mit einer gewissen Fehlerquote zu rechnen. Aufgrund dessen werden nachträgliche Korrekturen, insbesondere aufgrund offenbarer Unrichtigkeiten bei den Messbeträgen, seitens des Finanzamtes erforderlich sein. Diese Korrekturen sind in ihrer Anzahl und nach der Messbetragshöhe nicht quantifizierbar. Zur Würdigung dieser Problematik setzt die Stadt Aurich eine pauschale Messbetragskorrektur bei der Grundsteuer B i.H.v. 3 % an.

 

Eine Besonderheit bei der Stadt Aurich ist der zusätzliche Hebesatzanteil, der aus der Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung (STRABS) resultierte. Dieser Anteil, der mit jährlich 400.000 € beziffert wurde, wird bei der Ermittlung des aufkommensneutralen Hebesatzes zunächst von der Basis in Abzug gebracht und im Anschluss wieder hinzugerechnet. Ausgehend von den neuen Messbeträgen beträgt dieser Anteil 17 %-Punkte.

 

 

 

Auf Basis dieser Kalkulation ergeben sich folgende aufkommensneutrale Hebesätze:

 

                        Grundsteuer A                        364 %  (bisher 420 %)

                        Grundsteuer B                        368 % (bisher 441 %)

 

Die Festsetzung eines Hebesatzes unterhalb dieser Vorgabe würde ein Verzicht auf Einnahmen aus der Grundsteuer bedeuten. Vor dem Hintergrund der aktuellen und zukünftigen Haushaltslage rät die Verwaltung dringend davon ab.